Schnee pur!

Tag 9

Abends auf dem Rückweg ins Hotel schneit es dicke Schneeflocken vom Himmel und ich genieße die tiefwinterliche Atmosphäre nach einem ebenso winterlichen Arbeitstag!

Wir starten morgens kurz nach neun mit dem Dienstwagen an den Stadtrand von Sapporo zur Sapporo Youth Lodge, einem Umweltzentrum, das von einer gemeinnützigen Stiftung in Kooperation mit der Schulbehörde betrieben wird. Jedes Schuljahr kommen alle 5. Klassen der öffentlichen Schulen, das sind insgesamt ungefähr 1000, für einen Tag und manchmal auch eine Übernachtung hierher, um zu den verschiedensten Umweltthemen zu arbeiten, die die Lehrkräfte individuell auswählen können. Das pädagogische Personal unterstützt sie dann bei der Umsetzung. Jetzt im Winter liegt ein Schwerpunkt natürlich auf dem Wintersport, die Kinder lernen Langlaufen oder Schneeschuhgehen, letzteres dürfen Ulli-san und ich – gut ausgestattet durch die Gastgeber – auch ausprobieren. Wir wären beide gerne länger unterwegs gewesen an diesem wunderbaren Wintertag, doch das dichte Programm hat nur eine kurze Runde zugelassen 🙂

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In Japan liegt ein pädagogischer Schwerpunkt auf dem Katastrophenschutz, es gibt häufig Erdbeben und die Kinder sollen sich mit den damit einhergehenden Gefahren beschäftigen und Verhaltensregeln für den Notfall kennen lernen. Ein wichtiges Thema, das im wahrsten Sinnen hier einen „großen Raum“ einnimmt, ist in diesem Zusammenhang der sichere Umgang mit dem offenen Feuer. In einer riesigen Halle gibt es eine überdimensionale Feuerstelle, an der die Kinder lernen, die vom Feuer ausgehenden Gefahren richtig einzuschätzen. Dadurch, dass ja immer ein ganzer Jahrgang einer 5. Klasse an diesem Programm teilnimmt, ist die Halle dementsprechend groß für ungefähr 150 bis 200 Kinder konzipiert, so etwas habe ich bisher noch nicht gesehen…

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Immer dienstags leitet Ulli Jamitzky einen Deutsch-Konversationskurs, bei dem ich heute Abend zu Gast bin. Es ist eine sehr große Gruppe, darunter Japanerinnen, die längere Zeit in Deutschland gelebt haben, eine Studentin aus München, ein Grieche, der in Sapporo in einer Computerfirma arbeitet und eine Japanerin, die Michael Endes Bücher liebt und sie gerne auf deutsch lesen möchte. Wir kommen in dieser Stunde gerade so durch mit der Vorstellungsrunde, doch die Konversation setzen wir fort im Restaurant „Leibspeise“, wo Ulli für alle Bratwürstl mit Sauerkraut und Brezen bestellt und wir den Arbeitstag bei einem selbstgebrauten Weißbier ausklingen lassen. Auch hier wieder kanpei! Prost! Beschwingt vom Würstlessen mit Stäbchen und den angeregten Gesprächen lasse ich mich vom Schneegestöber „nach Hause“ begleiten!

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Heute nochmals Theorie…

Tag 8

Heute durchlaufe ich ein Mammut-Programm nochmals in der Schulbehörde. Zu vielen Themen, zu denen ich eine „Erklärung“ bekomme, entwickeln sich angeregte Gespräche, soweit das mit meinen Englischkenntnissen möglich ist. Da Ulli-san heute selbst bei einem Schulbesuch ist, begleitet mich Frau Sugawara und überträgt für mich ins Englische. Unter anderem bekomme ich Informationen zum Aufbau des japanischen Schulsystems, der Kollege hat sogar ein Organigramm des Bayerischen Schulsystems in japanischer Sprache dabei, das er im Rahmen eines Besuchs beim ISB in München vor zwei Jahren bekommen hat. Das hat den Austausch natürlich sehr erleichtert! Doch leider – wie er bedauert – war er in der Woche nach dem Oktoberfest da. Von seinem Besuch hatte er zu unserem Treffen einen Stadtplan von München mitgebracht und: Eine Speisekarte aus dem Hofbräuhaus!

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Die Mittagspause verbringe ich – bei strahlendem Sonnenschein und nach einem kleinen Lunch – im Odoripark, denn sowohl das Rathaus und die Schulbehörde liegen in unmittelbarer Nähe. Einen Abstecher mache ich noch zum Clock Tower, einem Gebäude, das 1878 als Exerzierhalle des Sapporo Agricultural College erbaut wurde, der ersten Hochschule in Japan.

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Am Nachmittag bekomme ich noch viel Input zur Lehrplanentwicklung, zur Situation von Schülerinnen und Schülern mit „special needs“, also besonderem pädagogischen Unterstützungsbedarf,  zu Programmen im Bereich Schülermobbing und zu den drei Schwerpunktthemen, denen sich Sapporo verpflichtet hat: Der Winter als lebensbegleitendes pädagogisches Thema, die Erziehung zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt und die Hinführung der Kinder und Jugendlichen und ihrer Familien zum Lesen. Die Schulbehörde hat für alle drei Bereiche Logos entwickelt, die in Broschüren, in Schulbüchern und vor Ort in den Schulen sehr präsent sind, um so das Bewusstsein für diese Themen wach zu halten, eine schöne Idee. Alles, was ich heute erfahren habe, nehme ich sehr interessiert mit zurück nach München an meinen Arbeitsplatz, der Vergleich der verschiedenen Systeme ist in meinen Augen sehr wertvoll. Anders als in München, wo der rasante Bevölkerungszuwachs eine große Herausforderung nicht nur im Bildungsbereich darstellt, haben Sapporo und Japan insgesamt mit einem starken Bevölkerungsrückgang zu kämpfen, der bereits zu Schulschließungen in der Präfektur Hokkaido geführt hat und auch Auswirkungen auf das Bildungssystem und das gesamtgesellschaftliche Leben haben wird.

Für mich ist jetzt Feierabend, ich verarbeite das Gehörte und freue mich auf morgen. Es erwartet mich nämlich ein praktisches Training zu einem der drei oben schon genannten pädagogischen Schwerpunktthemen der Schulbehörde: „Yupporo“ (eine Zusammensetzung aus Yuki, japanisch für Schnee, und Sapporo) bedeutet für mich morgen Langlauf in der herrlichen Winterlandschaft – ich werde berichten!